Scoutisch, bündisch, erotisch/homoerotisch. Nähe und Distanz in den pfadfinderischen Beziehungsformen

Sven Reiß M.A., Kiel

Veröffentlichungstitel: Problematischer Eros. Nähe und Distanz in den pfadfinderischen Beziehungsformen

Tagungsband 2016, Seiten 171-191

Vortragsgliederung

 

  1. Problemaufriss / Hintergründe des Vortrags
  2. Grundannahmen / Definitionen
  3. Jugendkulturelle Eigenlogiken: scoutisch, bündisch
  4. Jugendkulturelle Eigenlogiken: erotisch, homoerotisch
  5. Fallbeispiele im historischen KontextBedingungen für einen Grenzen wahrenden Umgang
    1. Weimarer Republik / „Die bündische Zeit“
    2. Junge Bundesrepublik /Adenauerära
    3. 1970er Jahre / Sexuelle Emanzipationsbewegungen
  6. Entzauberte Pfadfinderei? Bedingungen für einen Grenzen wahrenden Umgang

Literatur (Auswahl)

Die Tagungsbände der vergangenen Fachtagungen Pfadfinden 2010, 2012 und 2014 sind nicht extra aufgelistet, sie enthalten jedoch mehrere zur Thematik wertvolle Aufsätze.

 

Blüher, Hans: Die deutsche Wandervogelbewegung als erotisches Phänomen. Ein Beitrag zur Erkenntnis der sexuellen Inversion. Berlin 1912.

 

Blüher, Hans: Die Rolle der Erotik in der Männlichen Gesellschaft. 2 Bd. Jena 1917/19.

 

Bruns, Claudia: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880-1934). Köln, Weimar, Wien 2008.

 

Bundschuh, Claudia: Pädosexualität. Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen. Opladen 2001.

 

Feddersen, Jan: „Schlüssel zu einer besseren Welt.“ Die Schwulenbewegung hat stets zum Thema sexueller Missbrauch geschwiegen -warum nur? Historische Erkundungen. In: Sabine Andresen, Wilhelm Heitmeyer (Hg.) Zerstörerische Vorgänge. Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen. Weinheim, Basel 2012, S. 243-250.

 

Gaus, Detlef / Reinhard Uhle: Pädagogischer Eros. In: Wolfgang Keim, Ulrich Schwerdt (Hg.): Handbuch der Reformpädagogik in Deutschland (1890–1933)., 2 Bd. Frankfurt am Main 2013, Bd. 1, S.559-575.

 

Geuter, Ulfried: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. Jungenfreundschaft und Sexualität im Diskurs von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Jugendpsychologie am Beginn des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1994.

 

Glöer, Nele/Irmgard Schmiedeskamp-Böhler: Verlorene Kindheit. Jungen als Opfer sexueller Gewalt. München, 1990.

 

Hargrave, John: Stammeserziehung. (=Bücher der Waldverwandschaft Bd.IV/V). Berlin, 1922.

 

Reulecke, Jürgen: „Ich möchte einer werden so wie die…“ Männerbünde im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main / New York 2001.

 

Sternweiler, Andreas: „Und alles wegen der Jungs.“ Pfadfinderführer und KZ-Häftling Heinz Dörmer. Berlin 1994.

 

Stompe, Thomas: Sexueller Missbrauch, Pädosexualität und Kultur. In: Thomas Stompe u.a. (Hg.) Sexueller Kindesmissbrauch und Pädophilie. Berlin 2013, S. 15-34.

 

Wyneken, Gustav: Eros. Lauenburg 1921.

 

I Problemaufriss / Hintergründe des Vortrags

 

2010 Gründung des Arbeitskreises „Schatten der Jugendbewegung“ zur Präventionsarbeit gegen sexuelle Gewalt in jugendbewegten Gruppierungen. Auslöser war das parallele Bekanntwerden verschiedener sexueller Missbrauchsfälle sowohl im jugendbewegten Kontext als auch durch jugendbewegt geprägte Personen. Enge Verbindung von Präventionsarbeit, Aufarbeitung und direkten Bezügen zu jugendbewegten Gruppen, um so zur Jugendbewegung passende Präventionskonzepte zu entwickeln. Seit 2010 Gruppenleiterschulungen, Fachfortbildungen und Netzwerktreffen. Sämtliche Mitglieder des Arbeitskreises stammen aus jugendbewegten Gruppen und sind diesen Verbunden. Neben diesem an die Jugendburg Ludwigstein angegliederten Arbeitskreis bestehen besonders in den größeren Bünden bereits seit einigen Jahren eigenständige Arbeitskreise gegen sexuellen Missbrauch.
http://www.jubi-ludwigstein.de/jugendbewegung/schatten-der-jugendbewegung/

 

Seit 2013 eigenes Dissertationsprojekt in Europäischer Ethnologie/Volkskunde (Kiel) unter dem Arbeitstitel „Päderastie in der deutschen Jugendbewegung. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung“. Welche spezifischen Legitimationsmöglichkeiten konnten innerhalb der Bünde genutzt werden? Wie formierten und transformierten sich diese vor dem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext? Welche Idealbilder korrelierten mit welchen Alltagspraxen?
https://www.europaeische-ethnologie-volkskunde.uni-kiel.de/de/abstract

 

II Grundannahmen

 

 

III Jugendkulturelle Eigenlogiken : scoutisch, bündisch

(Idealtypisch vereinfacht, Auswahl)

 

Weltpfadfinderbewegung „Scoutisch“

Deutsche Jugendbewegung „Bündisch“

Erziehungsansätze / Führungsvorstellungen

Explizit vertretener Erziehungsansatz

Indirekt vertretener Erziehungsansatz

Gruppenleitung prinzipiell erlernbar

Führung durch „Charisma“

Strukturell abgesicherte Führungsautorität

Klare Leitungsstruktur (stärker ausgeprägt)

Strukturell abgesicherte Führungsautorität

(meist) klare Leitungsstruktur

„Jugend führt Jugend“?

Jugend führt Jugend“?

Strukturelle Bedingungen

Stände/Stufensystem

-         Altersgetrennte Gruppen

-         Persönliche Entwicklungsstufen

Tendenziell eher altersgemischte Gruppen, weniger ausgeprägte Stufenordnung

Handlungsnormen und jugendkulturelle Selbstverständnisse

Gesetz & Versprechen

Meißnerformel (Jugendautonomie)

Idealisierung der Gemeinschaft

Initiationsriten

Verpflichtung auf die Gemeinschaft, teilweise auch auf den Gruppenleiter/Gruppenführer

Idealisierung der Gemeinschaft

Initiationsriten

Verpflichtung auf die Gemeinschaft, teilweise auch auf den Gruppenleiter/Gruppenführer

Historisch: Einfluss von Männlichkeitszuschreibungen und Männerbundideologien

Historisch: Einfluss von Männlichkeitszuschreibungen und Männerbundideologien

Idealisierung von Jugend

Leistungsanspruch an die Jugend, eine bessere Zukunft zu schaffen / elitärer Anspruch

Pfadfinder als „Ritter der Neuzeit“

Idealisierung von Jugend

Leistungsanspruch an die Jugend, eine bessere Zukunft zu schaffen / elitärer Anspruch

Ideal des „Neuen Menschen“

Tlw. hohe ästhetische Verklärung von „Jugend“

Historisch: Bürgerliche Antwort auf Unbehagen an der Moderne / Zivilisationskritik (damit grundsätzliche Offenheit für von der gesellschaftlichen Norm abweichende Gesellungsformen, jedoch durch betonte Bejahung der bestehenden Ordnung – Pfadfindergesetz – weniger ausgeprägt)

Historisch: Bürgerliche Antwort auf Unbehagen an der Moderne / Zivilisationskritik (damit grundsätzliche Offenheit für von der gesellschaftlichen Norm abweichende Gesellungsformen, starke Offenheit für Alternativbewegungen, teilweise deutlich ausgeprägter antibürgerlicher Habitus)

 

IV Jugendkulturelle Eigenlogiken II: erotisch, homoerotisch

 

 

V Fallbeispiele

 

  1. Weimarer Republik / „Bündische Zeit“: Stammeserziehung

 

 

b. „Jungenleben“: Pfadfinden als Moratorium vor dem anderen Geschlecht in der Adenauerära der jungen Bundesrepublik

 

 

c. Pfadfinder, pädophile Emanzipationsbewegung und sexuelle Revolution

 

 

(VI) Entzauberte Pfadfinderei? Bedingungen für einen Grenzen wahrenden Umgang

Historische Aufarbeitung, auch und damit pfadfinderischer „Zauber“ durch Enttabuisierung der Gefahrenmomente weiter gelebt werden kann.